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Fortbildung zum Schriftdolmetscher im BFW Würzburg

Ein Erfahrungsbericht von Roxanne Dibrell

Warum werde ich Schriftdolmetscherin?

Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Sprachen: Ich habe Übersetzen studiert, merkte jedoch, dass mir der Bezug zum Menschen fehlte. Beim Übersetzen geht es darum, Fachtexte, vor allem Bedienungsanleitungen, von der Fremd- in die Muttersprache zu übersetzen. Da ich allerdings ein sehr kommunikationsfreudiger Mensch bin, hat mir bei dieser Arbeit etwas gefehlt. Während meines Bachelor-Studiums probierte ich dann das Konferenzdolmetschen aus, das mir sehr viel Spaß machte, allerdings auch sehr anstrengend war und sich aufgrund meiner Sehbehinderung schwierig gestaltete. Als mir dann eine gute Freundin einen Newsletter weiterleitete, in dem zunächst der Beruf des Schriftdolmetschers vorgestellt und danach die Fortbildung am Berufsförderungswerk in Würzburg beschrieben wurde, war ich Feuer und Flamme. Endlich bekam mein früherer Wunsch, Dolmetscherin zu werden, eine zweite Chance. Und im Falle des Schriftdolmetschers kann ich Menschen, die ebenfalls ein Handicap haben, mit meiner Arbeit helfen – noch besser!

Was macht ein Schriftdolmetscher?

„Schriftdolmetscher? Was ist das eigentlich?“, werde ich oft gefragt. Schriftdolmetscher übertragen gesprochene Sprache in Schrift. Dazu verwenden sie das 10-Finger-Schreibsystem oder aber – immer häufiger – eine Spracherkennungssoftware, die den nachgesprochenen Text in Schrift umwandelt. Das erfordert eine gute Auffassungsgabe und hohe Konzentration. Über eine Onlineplattform wird der geschriebene  Text aufgenommen und an einen ebenfalls zugeschalteten hörgeschädigten Menschen übertragen, bei dem er als lesbarer Text auf dem Monitor eines Laptops, Tablets oder Smartphones erscheint. Damit ist der Schriftdolmetscher eine vollwertige Alternative zum Gebärdendolmetscher. Die entsprechende Technik macht es möglich, dass der Schriftdolmetscher gar nicht unbedingt vor Ort in der zu dolmetschenden Veranstaltung anwesend sein muss, sondern häufig nur online zugeschaltet ist.

Obwohl meine Entscheidung, Schriftdolmetscherin zu werden, eigentlich schon relativ schnell klar war, habe ich mir das Ganze noch vier Wochen durch den Kopf gehen lassen, meldete mich dann aber zur Fortbildung an.

Meine bisherigen Erfahrungen

Der Beruf des Schriftdolmetschers ist, wie ich bereits erwartet hatte, eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit, bei der vor allem sehr viel Konzentration notwendig ist. Zudem muss man mehrere Dinge gleichzeitig tun und immer einen kühlen Kopf bewahren, auch wenn man etwas nicht verstanden hat oder der Sprecher sehr schnell oder mit einem starken Akzent oder Dialekt spricht. Das fällt mir nach wie vor schwer und ist eine echte Herausforderung, die ich aber durch mehr Routine gerne meistern möchte. Das macht den Beruf des Schriftdolmetschers so reizvoll für mich. Außerdem ist die Kombination aus Sprachen – in diesem Fall überwiegend Deutsch – und dem Wissen, anderen Menschen mit meiner Arbeit helfen zu können, eine tolle Mischung. Eine wunderbare neue Berufschance, auch für sehbehinderte und blinde Menschen!

Wie läuft die Fortbildung ab?

Die Fortbildung zum Schriftdolmetscher ist ein Fernlehrgang, angeboten vom Berufsförderungswerk (BFW) Würzburg in Veitshöchheim. Der Kurs dauert neun Monate und besteht aus insgesamt neun Präsenzveranstaltungen, die an verlängerten Wochenenden im Berufsförderungswerk stattfinden. Unterstützt wird das BFW dabei von erfahrenen Dozenten des Sprachen- und Dolmetscherinstituts München und der Münchner Dolmetscheragentur VerbaVoice, die als Kooperationspartner maßgeblich an der Fortbildung beteiligt sind. Also mache ich mich alle paar Wochen auf den Weg nach Veitshöchheim, um dort mit sieben anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Schriftdolmetschen zu lernen. Neben dem Training an der Tastatur und mit der Spracherkennungssoftware beschäftigen wir uns auch mit den rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen, erwerben grundlegende Kenntnisse der wichtigsten Hörschädigungen und üben die Kommunikation mit hörbeeinträchtigten Menschen.

Die Wochenenden sind anstrengend, und wenn ich Sonntagabend nach Hause fahre, bin ich immer ziemlich geschafft – meinem Ziel aber auch immer ein Stückchen näher … Übernachtung und Verpflegung gibt es übrigens zu einem moderaten Preis im Berufsförderungswerk, sodass man die Abende gemeinsam verbringen kann und sich untereinander gut kennenlernt.

Zwischen den Wochenenden, die ich in Veitshöchheim verbringe, liegen die sogenannten Online-Phasen, in denen ich zu Hause am PC auf der Lernplattform des BFW die Unterrichtsinhalte durcharbeite, die verschiedenen Dolmetsch-Techniken übe und mich in regelmäßigen Abständen in einer Online-Konferenz mit einem Coach treffe, der meine Fortschritte überwacht und mir weitere Tipps und Hilfestellungen gibt.

Meine Pläne nach der Fortbildung

Nach der Fortbildung möchte ich versuchen, bei der Firma VerbaVoice eine Festanstellung zu bekommen. Man sucht dort dringend weitere Schriftdolmetscher und die Chancen auf eine Übernahme sind sehr gut. Sollte dies nicht klappen, würde ich mich selbstständig machen. Auch eine freiberufliche Tätigkeit als Schriftdolmetscher ist möglich. Am liebsten würde ich schwerhörige bzw. gehörlose Studierende begleiten und ihnen helfen, ihren Studienalltag zu meistern. Das würde mir viel Freude bereiten, da ich weiß, wie schwierig es sein kann, mit einem Handicap zu studieren, und es würde mich freuen, wenn ich ihnen helfen könnte, ihr Studium gut zu bewältigen. Auch Fremdsprachenunterricht in der Schule würde mich sehr interessieren, da ich so meine Fremdsprachenkenntnisse einsetzen könnte.

Roxanne Dibrell arbeitet nach erfolgreich absolvierter Prüfung seit April 2016 von zu Hause aus in Festanstellung bei der Dolmetscheragentur VerbaVoice.

Nähere Informationen zur Fortbildung zum Schriftdolmetscher finden Sie auf der Website des BFW Würzburg unter http://www.bfw-wuerzburg.de/modeler.php?contentid=181.

Für weitere Fragen wenden Sie sich an BFW TeleCoach Monika Weigand unter monika.weigand@bfw-wuerzburg.de.