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Der Weiterbildungsbedarf blinder und sehbehinderter Erwerbsfähiger: Ergebnisse einer Befragung im DVBS-Projekt iBoB

Ausgangspunkt für die Arbeiten in dem Projekt iBoB war eine umfassende Befragung verschiedener Zielgruppen zum Thema "Weiterbildungserfahrungen und -bedarfe blinder und sehbehinderter Erwerbstätige". Befragt wurden sowohl betroffene Erwerbsfähige als auch Arbeitgeber, Schwerbehindertenvertreter, Integrationsfachdienste und Hilfsmittelversorger.

Ziel der Befragung war es, Weiterbildungswünsche und -bedarfe von blinden und sehbeeinträchtigten Arbeitnehmer*innen für die kommenden Jahre im Hinblick auf die zu erwartenden Veränderungen am Arbeitsmarkt zu ermitteln. Die Befragungsergebnisse steuern die Akquise passender Angebote für die Weiterbildungsplattform.

Die Antworten von Arbeitgebern, Schwerbehindertenvertretungen, Integrationsämtern und -fachdiensten, aber auch Weiterbildungsträgern wurden mit den Antworten der befragten Erwerbsfähigen verglichen, um deren Aussagen zu validieren.

Zahlen

Teilnehmer*innen

Die Befragung wurde mittels des Online-Instruments Survey Monkey durchgeführt. Der Fragebogen für Erwerbsfähige umfasste 18 Sachfragen und 8 Fragen zur Person; die Fragen wurden auf die betreffenden Zielgruppen hin angepasst. 961 Erwerbsfähige wurden per E-Mail angesprochen, weitere über Blinden- und Sehbehindertenverbände. Bis Ende 2017 haben 307 blinde und sehbehinderte Erwerbsfähige, vor allem Mitglieder des DVBS, der DBSV-Landesverbände sowie deren Berufsfachgruppen, Mitglieder von Pro-Retina, blista-Absolventen und Absolventen einiger Berufsbildungs- bzw. Berufsförderwerke an der Befragung teilgenommen, dies ist etwa ein Drittel aller Angesprochenen.

Seitens der "Vergleichsgruppen" haben an der Umfrage mitgewirkt:

  • 12 Arbeitgebervertreter
  • 56 Weiterbildungsanbieter
  • 21 Vertreter der Integrationsämter und Integrationsfachdienste.
  • 64 Schwerbehindertenvertreter
  • 6 Hilfsmittelversorger.
Weiterbildungserfahrungen

Zu ihren Weiterbildungserfahrungen befragt, gaben 84 Prozent der befragten Erwerbsfähigen an, bereits eine Weiterbildung absolviert zu haben, 65 Prozent haben in den letzten zwei Jahren oder zum Zeitpunkt der Erhebung an einer Weiterbildung teilgenommen.

Mit 81 Prozent wurde persönliches Interesse als Grund für die Nutzung eines Weiterbildungsangebots genannt. 68 Prozent wählten als Grund Anpassungen an veränderte berufliche Anforderungen aus, und 54 Prozent nannten den Wunsch, den eigenen Aufgaben- und Verantwortungsbereich zu erweitern.

Betriebliche Umstrukturierungen oder drohender Arbeitsplatzverlust spielten mit 13 Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Aber bei 23 Prozent der gegebenen Antworten hatte der Arbeitgeber einen Einfluss auf die Entscheidung.

Für das Weiterbildungsangebot wurden zu 49 Prozent privatwirtschaftliche Anbieter, zu 39 Prozent betriebsinterne Anbieter genutzt. Angebote von Berufsförderungswerken wurden von 22 Prozent genannt.

Diejenigen, die bisher an keiner Weiterbildung teilgenommen hatten, gaben hierfür zu 59 Prozent den Grund an, kein fachlich passendes Angebot und zu 41 Prozent kein barrierefreies Angebot gefunden zu haben.

Kriterien für die Auswahl eines Weiterbildungsangebots

Die Antwortenden geben in absteigender Reihenfolge folgende Kriterien für die Auswahl eines Weiterbildungsangebots an:

  • 90 % Fachlich bzw. inhaltlich passend zur ausgeübten Tätigkeit
  • 90 % Qualifikation der Dozenten
  • 85 % Barrierefreiheit des Weiterbildungsangebots
  • 84 % Erreichbarkeit der Weiterbildungsstätte
  • 79 % Anpassbarkeit des Angebots auf die Bedarfe des Betroffenen

Die Stellungnahmen der ebenfalls befragten Schwerbehindertenvertretungen zu diesem Themenbereich bestätigen die Aussagen der Erwerbstätigen weitestgehend.

Künftige Bedarfe

Zu ihren Weiterbildungswünschen und -bedarfen geben die Erwerbstätigen in absteigender Reihenfolge nachfolgende thematische Schwerpunkte an.

  • 80 % EDV und digitale Medien (z.B. Anwenderkenntnisse von Excel bis SAP, Programmiersprachen, online-Marketing)
  • 62 % Sozialkompetenz, Persönlichkeitsentwicklung (z.B. Selbstpräsentation gegenüber Vorgesetzten und Kollegen, Behinderungsbewältigung, Stressbewältigung, Arbeitsorganisation)
  • 49 % assistive Technologien (z.B. Einsatz und Nutzung von Screenreadern, Smartphone und Tablet)
  • 44 % Führungskompetenz (Mitarbeiterführung und Projektmanagement)

Als persönliches Ziel geben 60 Prozent der Erwerbstätigen an, die Kompetenz für die derzeit ausgeführte Tätigkeit erweitern zu wollen. 16 Prozent denken an eine Erweiterung des Aufgaben- und Verantwortungsbereichs, nur sieben Prozent an beruflichen Aufstieg, 17 Prozent an eine berufliche Neuorientierung.

Befragt zu ihren Einschätzungen, welche Auswirkungen die Veränderung am Arbeitsmarkt auf ihren Bedarf an Weiterbildungsangeboten haben könnte, geben 61 Prozent der Erwerbstätigen an, dass regelmäßig Weiterbildungen erforderlich seien; 21 Prozent hingegen erwarten keine Auswirkungen und 30 Prozent sind hinsichtlich der Auswirkungen unsicher. Nur 3 Prozent gehen davon aus, einen ganz neuen Beruf erlernen zu müssen.

Auffällig am Antwortverhalten der Teilnehmer*innen ist aber, dass gut ein Drittel (34 Prozent) die Fragen zur „Zukunft" und "möglichen beruflichen Veränderungen" übersprungen hat.

Die befragten Vergleichsgruppen bestätigen mit nur geringen prozentualen Abweichungen die von der Gruppe der Erwerbsfähigen genannte Rangfolge der künftigen Weiterbildungsbedarfe.

Vergleiche zu anderen Erhebungen

Um die gewonnenen Erkenntnisse aus der iBoB-Umfrage besser einordnen zu können, wurden die nachfolgenden Studien zum Thema "Weiterbildungen" herangezogen:

Weiterbildungstrends in Deutschland 2016“ (sgd 2017; https://www.sgd.de/aktuellespresse/weiterbildungstrends.html),

Weiterbildung in der IKT“, (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Kurzbericht 17/201, http://doku.iab.de/kurzber/2017/kb1717.pdf)

Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2016“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BmBF) 2017, https://www.bmbf.de/pub/Weiterbildungsverhalten_in_Deutschland_2016.pdf)

In diesen Studien werden behinderte Weiterbildungsteilnehmer*innen und deren Weiterbildungsverhalten nicht spezifisch betrachtet, aber deren Ergebnisse bestätigen die von den von iBoB befragten Erwerbsfähigen genannten wichtigsten Weiterbildungsbedarfe (selbstverständlich mit der Ausnahme der Nutzung assistiver Technologien).

Fazit und Ausblick

Wir haben die Ergebnisse der iBoB-Erhebung mit unseren Kooperationspartnern diskutiert, zu denen unter anderem die fünf Berufsförderungswerke mit dem Schwerpunkt "Sehen" oder Schwerbehindertenvertretungen gehören. Auf Grundlage ihrer praktischen Erfahrungen stimmten sie grundsätzlich mit den Einschätzungen der blinden und sehbehinderten Arbeitnehmer*innen zur Arbeitsmarktentwicklung überein: Unabhängig von Branchen oder beruflicher Funktionen werden IT-Kompetenzen als wesentliche Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe bewertet.

Allerdings weisen unsere Kooperationspartner in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf einen bemerkenswerten Punkt hin: Die Umfrageteilnehmer*innen hatten die Möglichkeit Weiterbildungsbedarfe im IT/EDV-Bereich getrennt von Weiterbildungsbedarfen im Umgang mit ihren assistiven Technologien anzugeben. Aber die Kooperationspartner stellen in Frage, ob diese Unterscheidung derart trennscharf getroffen werden kann, da beide Techniken nicht unabhängig voneinander genutzt werden. Sollten daher IT-/EDV-Weiterbildungsangebote, die sich an blinde und sehbehinderte Teilnehmer*innen richten, sinnvollerweise um ein zusätzliches Angebot einer Hilfsmittelschulung ergänzt werden?

Einen vergleichbaren Hinweis formulieren unsere Kooperationspartner zum angegebenen Weiterbildungsbedarf "Soziale Kompetenzen". Wenn blinde und sehbehinderte Erwerbsfähige vermehrt Angebote wie z.B. Präsentationstechniken oder Verhalten in Beurteilungsgesprächen wünschen, sind dann ebenfalls beeinträchtigungsspezifische Hintergründe in diesen Angebotswünschen impliziert?

Diese Fragestellungen begleiten dauerhaft die Projektarbeit, da sie einen unmittelbaren Einfluss auf die Akquise und ggf. spezifische Entwicklung von Weiterbildungsangeboten haben.