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Per Fernstudium zur Ernährungsberaterin

von Regina Vollbrecht

2009 war mir klar, dass ich mich beruflich umorientieren wollte. In meiner langjährigen Tätigkeit als Lehrerin für Punktschrift, Tastschreiben und Deutsch als Zweitsprache fühlte ich mich nicht mehr wohl. In mir reifte der Wunsch, Ernährungsberaterin zu werden. Als leistungsorientierte Sportlerin interessierte mich das Thema Ernährung sehr.

Die einzige Möglichkeit, in meinem Alltag zu einer weiteren beruflichen Qualifikation zu gelangen, war ein Fernstudium. Diese Art der Fortbildung bot mir neben der beruflichen Tätigkeit in Vollzeit genügend Flexibilität für eine derartige Zusatzqualifikation. Schließlich konnte ich mir die aufwendigen Fahrten zur Fortbildungseinrichtung sparen und war an keine regelmäßigen Präsenzzeiten gebunden.

Positive Rückmeldung

Ich kontaktierte zwei Studienanbieter mit meiner Frage, ob für mich als blinde Fernstudentin ein Studium der Ernährungsberatung an ihrem Institut möglich sei. Ich teilte mit, dass ich die Unterrichtsmaterialien als Datei zugesandt bräuchte.

Von der Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD) erhielt ich eine positive Rückmeldung und begann im November 2010 das Fernstudium zur Ernährungsberaterin. Als blinde Fernstudentin bekam ich neben den Lernheften in Schwarzschrift die PDF-Dateien zur Verfügung gestellt. Für das Fernstudium hatte ich insgesamt 14 Lernhefte zu bearbeiten und absolvierte zwei fakultative Seminare zum Thema „Essen“ in Darmstadt.
Die Einsendeaufgaben bearbeitete ich an den Wochenenden und den wöchentlichen Abendstunden. Am Ende eines Lernheftes befand sich eine Einsendearbeit. Diese musste nach Beantwortung zurück ans Institut. Hatten wir Fernstudenten Fragen zum Lernstoff, konnten wir diese telefonisch oder per Mail mit unseren Dozenten klären.

Arbeitsweg und Abschlussprüfung

Im August 2012 nahm ich eine trägerinterne Projektstelle als Schulsozialarbeiterin an. Der vier Mal wöchentliche Arbeitsweg führte mich nun an meine ehemalige Schule, die Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte in Königs Wusterhausen. Da ich von montags bis donnerstags täglich ca. vier Stunden für meinen Arbeitsweg aufwenden musste, arbeitete ich die noch zu verbleibenden vier Arbeitsstunden am Freitag im Homeoffice. Hinzu kam das Training.

Nun wurde es mit meinem Fernstudium schwieriger. Durch den zeitaufwendigen Arbeitsweg entfielen die wöchentlichen Abendstunden. Also blieben nur noch die Wochenenden. Meine Einsendearbeiten hatte ich längst erfolgreich bestanden. Jetzt kam der weitaus schwierigere Teil: das Lernen für die Abschlussprüfung. Lernen erfordert Konzentration. Das ist nach einem Arbeitstag beinahe unmöglich.

Um meine Zeit effektiv zu nutzen, erstellte ich mir Zusammenfassungen, die ich auf meinen MP3-Player kopierte. So lernte ich teilweise auf dem zweistündigen Arbeitsweg im Zug. Zusätzlich reservierte ich einen Tag am Wochenende zum Lernen, sodass noch Zeit für mein Training blieb.
Im April 2013 fuhr ich nach Darmstadt, um das zweite Seminar mit der anschließenden Prüfung zu absolvieren. Für die Prüfung bekam ich eine 50%ige Zeitverlängerung und schrieb diese auf meinem Laptop.

Eine Woche nach der Prüfung lief ich meinen ersten und einzigen 100-Kilometer-Lauf. Zufälligerweise erhielt ich gleichzeitig mein Zeugnis zur Ernährungsberaterin. So durfte ich mich über die Note 1 im Fernstudium und den ersten Platz in meiner Altersklasse der Deutschen Meisterschaft über 100 Kilometer freuen!

Auszeichnung und Ausblick

Ich freue mich noch heute über die Chance, das Fernstudium zu absolvieren. Mein besonderer Dank gilt den Dozentinnen, die sich in den Seminaren und der Prüfung auf mich eingestellt hatten. Für mein Fernstudium Ernährungsberater/in wurde ich mit zwei Preisen ausgezeichnet. Zum einen als Jubiläumsfernschülerin des Jahres 2013 in Darmstadt und zum anderen mit dem Preis Forum DistancE-Learning 2014 in der Kategorie „Lernen mit Handicap“ in Berlin. Und heute? Seit Juni 2016 bin ich als Beauftragte für Menschen mit Behinderung in Berlin-Reinickendorf tätig. Aber wer weiß schon, wohin die beruflichen Wege noch führen?

(Regina Vollbrecht, Sozialpädagogin und Lehrerin für Tastschreiben, Punktschrift, PC und Deutsch als Zweitsprache, ist Beauftragte für Menschen mit Behinderung in Berlin-Reinickendorf.)